Teilprojekt M1: Systematische Überinstrumentierung

Professor Dr.-Ing. Frank Henning
Professor Dr.-Ing. Jürgen Beyerer

Das Teilprojekt Systematische Überinstrumentierung adressiert einerseits Methoden für die Erweiterung der Instrumentierung mit Sensoren und Aktuatoren in einem frühen Stadium der Prozessreifung, aber auch darauf, wie man im fortgeschrittenen Reifestadium die Instrumentierung wieder reduzieren kann.

Für ein besseres Prozessverständnis, werden ein Prozess und seine Teilprozesse großzügig mit Sensoren bzw. Aktuatoren ausgestattet, um informative Daten zu gewinnen bzw. um stärkeren Einfluss zu ermöglichen; wir nennen das „Überinstrumentierung“. Methoden des Bayesian Optimal Experimental Design (BOED) sollen um die optimale Parametrisierung zusätzlicher Instrumentierung erweitert werden. Außerdem sollen Methoden des Optimal Sensor Placement (OSP) erweitert werden, um die Parametrisierung über die Platzierung hinaus zu optimieren und auch Aktuatoren einzubeziehen.

Um die aufwändigen Berechnungen von BOED und OSP zu beschleunigen, sollen neuronale Netze trainiert werden, die diese Verfahren imitieren und schnelle näherungsweise Berechnungen derselben ermöglichen. Im Besonderen sollen Ansätze, mit denen formalisiertes Expertenwissen berücksichtigt werden kann, untersucht werden. Versteckte Prozessvariablen, die Ursachen anderer Prozessvariablen sind, sind wichtig für das Prozessverständnis. Es handelt sich um sogenannte Latent Confounders (LCs). Offensichtlich eröffnet die Möglichkeit, diese mittels Sensoren zu beobachten oder mittels Aktuatoren zu beeinflussen, eine bessere Prozessbeherrschung. Für die Entdeckung von LCs soll eine Art von ‘Do-operator’ untersucht werden, der auf einer niederschwelligen Modulation von aktuierten Prozessvariablen fußt. Mittels Analyse der Propagation dieser Signale im Prozess sollen kausale Beziehungen
und LCs gefunden und dann instrumentiert werden.

Neben der Kausalitätsanalyse sollen Variational Autoencoders (VAE) hinsichtlich der Möglichkeit untersucht und modifiziert werden, dass ihre latenten Variablen die Bedeutung von physikalisch realen LCs erlangen, um sie dann instrumentieren zu können. Wenn die iterative Prozessreifung fortgeschritten ist, wird zunehmend die Reduktion der Instrumentierung auf das unbedingt Notwendige wichtig. Wenn z.B. ein optimierter Teilprozess mittlerweile auch ohne Regelkreis betrieben werden kann, oder mit weniger oder einfacherer Instrumentierung, kann diese entsprechend reduziert werden.

Überinstrumentierung ist vor allem ein vorübergehendes Mittel, um schnell Prozessverständnis und -verbesserungen zu erreichen. Methoden der Sensitivity Analysis (SA), die mittels arbitrary Polynomial Chaos Expansions (aPCE) datengetrieben berechnet werden, sollen als methodisches Gegenstück zur Kausalitätsanalyse untersucht werden zur Beurteilung der Wichtigkeit von Variablen und deren Instrumentierung. Die o.g. Verfahren sollen am realen Beispielprozess Stamp Forming getestet, evaluiert, validiert und weiterentwickelt werden